Wir leben gerade in Zeiten der Verunsicherung: Ist unsere Demokratie in Gefahr? Wie steht es um die Klimakrise? Wie schaffen wir unsere Existenz? Wie gehen wir mit all den Informationen um, die auf uns einstürmen? Wie können wir uns selbst immer wieder stabilisieren?
Angst ist ein schlechter Ratgeber, und dennoch ist es das Gefühl, mit dem wir am leichtesten zu manipulieren sind. Angst ist unangenehm. Wir alle haben das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität, damit es uns gut geht. Wie können wir uns selbst immer wieder zuversichtlich stimmen, den Mut aufbringen unseren Ängsten ins Gesicht zu schauen, weder verdrängen noch uns überfluten lassen?
„Das trau ich mich nicht“ höre ich immer wieder von meinen Klientinnen oder Klienten. Dahinter stecken Befürchtungen, dass etwas schlecht ausgehen könnte. Leider ist unser Gehirn darauf trainiert, das Schlimmste anzunehmen. Die Menschen, die ein Rascheln in den Büschen vor zig Tausend Jahren als gefährliches Tier interpretiert haben, hatten mehr Überlebenschancen als jene, die die Geräusche dem Wind zugeordnet haben. Auch wenn es nur der Wind war, manchmal war es eben doch ein Säbelzahntiger.
Wie können wir trotz unserer genetischen Ausstattung Mut und Zuversicht in unserem Denken und Handeln finden? Wie können wir anderen Mut machen?
Die Welt war nie ein vollständig sicherer Ort, vermutlich leben wir hier und heute in Österreich, trotz allem, in einer sicheren Welt, und ich bin sehr froh darüber.
Angst ist nicht nur negativ, sie schützt uns vor risikoreichen Entscheidungen, sie lässt uns Vorsorge für schwierige Zeiten treffen und sie kann Ausgangspunkt sein für mutige, neue Schritte.
In der Psychotherapie gibt es einige hilfreiche Konzepte, um mit Angstgefühlen konstruktiv umzugehen:
Der erste Schritt liegt in der Akzeptanz – wie bei jedem Gefühl, nicht verdrängen, sondern genau hin spüren. Ich sage meinen Klienten: „Schau deiner Angst in die Augen“ Sei es vor einer Prüfung, einer Präsentation, vor einer schwierigen Lebensentscheidung und vielem mehr.
Was genau befürchte ich, wenn ich eine mutige Handlung setze: Mut und Zuversicht heißt, trotz unsicherem Ausgang etwas tun, was mich herausfordert. Meistens sind die Konsequenzen gar nicht so schlimm, wie es unser Gefühl der Angst suggeriert. Eine Blamage, ein Fehler, ein Scheitern? Je konkreter wir es formulieren können, desto leichter ist es zu bearbeiten. Angst verliert seine Macht, wenn ich mir selbst sagen kann, „auch damit werde ich fertig“. Oder „Solange ich lebe, habe ich alle Kompetenzen, um mit Dingen, die ich nicht beeinflussen kann, fertig zu werden“. Zuversicht, Hoffnung, Selbstschätzung helfen ungemein.
Zweitens, das Trennen von Gefühl und Gedanken – unangenehme Gefühle, damit sie bestehen bleiben, müssen mit Gedanken gefüttert werden. Niemand kann ängstlich bleiben, wenn unsere Gedanken nicht ständig um beängstigende Szenen kreisen. Ich kann mir auch Geschichten erzählen, in denen ich meine Fähigkeiten mit Schwierigkeiten fertig zu werden, unter Beweis gestellt habe. Ich kann mir Geschichten von Freundschaft, Mut, Zuversicht und Liebe erzählen. Andererseits, wenn ich mich in einer Situation befinde, in der mein archaisches Gefühlshirn (Amygdala) Angst signalisiert, z.B. nachts im Wald; dann kann ich mir diese Gefühle bewusst machen, akzeptieren und falls ich die Situation nicht verlassen kann, erträglich gestalten. Z.B: durch Atemtechniken, Körperentspannung, Bewegung wie laufen, springen, singen. In manchen Situationen ist es auch angezeigt Hilfe zu holen, auch das ist ein mutiger Schritt.
Das Schwierige daran ist, dass Angstgefühle und die passenden Gedanken dazu, uns so wahr und richtig erscheinen. „Glaube nicht alles, was du denkst“ dieses Zitat wird Katie Byron zugeschrieben, die mit ihrer Arbeit „The Work“ hinderliche Glaubenssätze und Annahmen auflösen möchte. Leider haben viele Menschen eine Menge davon. Die kognitive Verhaltenstherapie nennt das eine konstruktive Umstrukturierung. Klingt sperrig, ist einfach aber nicht leicht. Ich kann jederzeit neu denken. Aber unser Gehirn mag es nicht so sehr, sich immer wieder anzustrengen. Angstgedanken bewusst wahrnehmen, dann durch zuversichtliche Gedanken austauschen, solange, bis mein Gehirn eine neue Bahn gebaut hat. Z.B: „Ich kann nicht gut lernen und werde durch die Prüfung fallen, das macht mir Angst und deshalb verschiebe ich die Prüfung wieder.“
Neuer Satz – Z.B: „Ich habe schon so viel in meinem Leben gut gelernt, ich kann auch das lernen, vielleicht brauche ich ein bisschen länger als andere, aber ich kann es. Mein Gehirn ist gut genug, ich habe den Mut die Prüfung zu probieren“.
Handelt es sich um konkrete Ängste, wie Angst vor Menschenmengen, Fliegen, Spinnen, Höhe und vieles mehr, versuchen wir Menschen diese Situationen zu vermeiden. Leider hilft das nicht, sondern die eigene Welt wird immer enger und enger. Im Bewältigungsprozess ist eine schrittweise Konfrontation angezeigt. Ein liebevolles Umgehen mit sich selbst, ein vorsichtiges Annähern, viel Unterstützung. Gar nichts daran ist peinlich. Je liebevoller ich mit mir umgehe, desto schneller kann ich Mut fassen, Fähigkeiten und Selbstvertrauen aufbauen, um mich diesen Situationen zu stellen.
Wirklich mutige Menschen sind sich ihrer Angst bewusst; erlaube dir immer wieder liebevoll, freundlich, tröstend mit dir selbst umzugehen, um Herausforderungen in einer unsicheren Welt meistern zu können.